Im Durchschnitt warten psychisch kranke Menschen bei uns in Deutschland, mehr als 3 Monate auf ein Erstgespräch bei einem niedergelassenen Psychotherapeuten.
Das ist viel zu lange!
Dabei fehlt es gar nicht an gut ausgebildeten Psychotherapeuten, wie die Psychotherapeutenkammer versichert, aber bei psychisch kranken Menschen gelten in Deutschland anscheinend immer noch andere Maßstäbe.
In diesem Artikel möchte ich euch zeigen, welche Alternative es gibt, um lange Wartezeiten möglichst zu vermeiden und außerdem habe ich für euch 2 Musterschreiben an die Krankenkasse, die euch dabei helfen können, bzw. sollten.
Inhaltsverzeichnis
Warum so lange Wartezeiten?
Es gibt in Deutschland keinen Psychotherapeutenmangel, ganz im Gegenteil!
Auch haben gut ausgebildete Psychotherapeuten durchaus freie Behandlungsplätze. Der Grund dieser langen Wartezeit liegt einfach daran, dass die Zahl der Psychotherapeuten mit Kassenzulassung viel zu gering ist.
Die Krankenkassen sind da anscheinend anderer Meinung, denn die sprechen angesichts der Wartezeiten, noch von „Überversorgung“. (Klar, eine Therapie „kostet“ ja schließlich etwas.)
Dabei sind Krankenkassen gesetzlich verpflichtet, notwendige Behandlungen rechtzeitig zur Verfügung zu stellen. Sie dürfen ihre Versicherten nicht vertrösten, wenn diese eine Psychotherapie brauchen.
Was tun, um lange Wartezeiten zu vermeiden?
Als Alternative gilt hier die Psychotherapie in einer Privatpraxis. Das sind Psychotherapeuten, die in der Regel (ebenso wie zugelassenen Psychotherapeuten) über die sogenannte „Fachkunde im Richtlinienverfahren“ verfügen.
Diese Richtlinienverfahren sind:
- analytische Psychotherapie
- tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
- Verhaltenstherapie
Doch auch da gibt es einige Punkte, die vorher unbedingt beachtet werden müssen, um eine Psychotherapie in einer Privatpraxis zu erhalten!
1. Die Notwendigkeit einer Behandlung
Versicherte brauchen als Erstes eine Bescheinigung, dass eine Psychotherapie unaufschiebbar und notwendig ist. Solch eine Bescheinigung erhält man entweder vom Hausarzt oder von einem Facharzt.
Hinweis: Diese Bescheinigung ist wichtig, denn sie wird von den Krankenkassen gefordert!
2. Protokoll einer vergeblichen Suche
Das bedeutet, dass sich Versicherte als Erstes bei zugelassenen Psychotherapeuten in der Nähe des Wohnortes erkundigen müssen, ob eine kurzfristige Behandlung möglich ist. Dabei sollten möglichst viele zugelassene Psychotherapeuten angerufen werden, mindestens aber drei bis fünf.
Über diese telefonische Suche sollte dann ein Protokoll geführt werden, wo Folgendes zu notieren ist:
- Name der Psychotherapeutin bzw. des Psychotherapeuten
- Datum und die Uhrzeit des Telefongesprächs
- Wie lange die Wartezeit auf einen Behandlungsplatz dauert
3. Einen freien Behandlungsplatz in einer Privatpraxis finden
Wenn kein zugelassener Psychotherapeut in zumutbarer Entfernung und Wartezeit zur Verfügung steht, können Versicherte einen Antrag auf Kostenübernahme nach §13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch (SGB) V einer ambulanten Therapie stellen.
Dieser Anspruch auf Kostenerstattung ist gesetzlich geregelt und gilt für alle gesetzlichen Krankenkassen.
Hier sollte sich als Erstes der Versicherte bei einem Psychotherapeuten in Privatpraxis telefonisch erkundigen:
- Ob kurzfristig die Behandlung übernommen werden kann?
- Und ob die „Fachkunde in einem Richtlinienverfahren“ vorliegt?
Wenn beide Fragen vom Therapeuten mit „Ja“ beantwortet werden können, dann ist es auch wichtig sich beides schriftlich bestätigen zu lassen.
Anmerkung: Psychotherapeuten in Privatpraxis sind wie ihre Kollegen mit Kassenzulassung approbiert. Sie verfügen also auch über eine staatliche Erlaubnis, psychische Krankheiten zu behandeln.
Das Anschreiben (Antragsmuster)
Muster eines Antrags auf Kostenübernahme an die Krankenkasse:
Anschrift des Versicherten
Anschrift der Krankenkasse
Ort, Datum
Versichertennummer:
Antrag auf ambulante Psychotherapie und Kostenerstattung nach § 13 Absatz 3 SGB V
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit beantrage ich, dass Sie die Kosten, die mir durch die ambulante Psychotherapie bei Frau/Herrn… entstehen, übernehmen und mir dies zusichern.
Frau/Herr… ist ein/e approbierte Psychotherapeut/in in einem Richtlinienverfahren, verfügt aber nicht über eine Zulassung zur gesetzlichen Krankenversicherung. Wie Sie meinem beigelegten Protokoll entnehmen können, habe ich mich mehrfach vergeblich bemüht, einen geeigneten Psychotherapeuten mit Kassenzulassung zu finden, der mich rechtzeitig behandeln kann.
Meine Psychotherapeutensuche ergab, dass ich mehr als … Monate auf einen ersten Termin warten müsste. Dagegen besteht die Möglichkeit, dass ich bei Frau/Herr… kurzfristig mit einer Behandlung beginnen könnte. Eine entsprechende Bescheinigung lege ich bei. Ich lege Ihnen des Weiteren eine Bescheinigung eines [Hausarztes/Facharztes] bei, der bei mir eine ambulante Psychotherapie für dringend erforderlich hält.
Falls Sie meinem Antrag nicht zustimmen, nennen Sie mir bitte – so schnell wie möglich – einen zugelassenen Psychotherapeuten in der Nähe meines Wohnortes, bei dem ich kurzfristig einen Termin erhalte.
Ich bitte Sie, meinen Antrag möglichst zügig zu bearbeiten und möchte auf die Frist des § 13 Absatz 3a SGB V hinweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Anmerkung: Die Krankenkassen haben 5 Wochen Zeit, den Antrag zu bearbeiten. Sollten sie innerhalb dieses Zeitraums nicht reagieren, gilt der Antrag als genehmigt (§13 Abs. 3a SGB V).
Was tun, wenn die Kasse ablehnt?
Sollte die Kasse den Antrag ablehnen, ohne einen freien Behandlungsplatz bei einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten mit Kassenzulassung anzubieten, kann der Versicherte einen Widerspruch einlegen.
Das Schreiben kann folgendermaßen aussehen:
Anschrift des Versicherten
Anschrift der Krankenkasse
Ort, Datum
Versichertennummer:
Widerspruch
Ihr Schreiben vom…
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit lege ich Widerspruch gegen Ihr Schreiben vom (Datum einfügen) ein, mit dem Sie es ablehnen, die Kosten, die mir durch eine ambulante Psychotherapie bei Frau/Herrn… entstehen, zu übernehmen.
Meinem Antrag lagen die erforderlichen Unterlagen bei, aus denen hervorgeht, dass die Anspruchsvoraussetzung vorliegt. Ich bitte Sie deshalb erneut meinen Antrag zu genehmigen.
Sollten Sie dem Antrag nicht stattgeben, werde ich meinen Anspruch gerichtlich durchsetzen und die Aufsichtsbehörde sowie den Patientenbeauftragten der Bundesregierung informieren.
Mit freundlichen Grüßen
Wie einen Psychotherapeuten in Privatpraxis finden?
Neben den örtlichen Branchenbüchern (z.B. Gelbe Seiten), findet man auf den Internetseiten, fast aller Psychotherapeutenkammern, eine sogenannte Psychotherapeuten-Suche. Dort sind sowohl Psychotherapeuten mit Zulassung als auch in Privatpraxis gelistet.
Hier einiges Links zu den Suchseiten der jeweiligen Kammern:
- Bundespsychotherapeutenkammer
- PTK Bayern
- PTK NRW
- Suchservice der Psychotherapeutenkammern Berlin, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Saarland und Schleswig-Holstein
Zusammenfassung:
Wer nicht das „Glück“ hat, einen Therapieplatz bei einem Psychotherapeuten mit Kassenzulassung in zumutbarer Nähe und Wartezeit zu finden, kann auch einen Antrag auf Kostenübernahme nach §13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch (SGB) V einer ambulanten Therapie bei seiner Krankenkasse stellen.
Im Antrag sollten diese 4 Dinge enthalten sein:
- Das Anschreiben
- Eine Bescheinigung, dass eine psychotherapeutische Behandlung unaufschiebbar und notwendig ist
- Das Protokoll der vergeblichen Suche nach einer Psychotherapeutin/einem Psychotherapeuten mit Kassenzulassung
- Die Bescheinigung eines approbierten Psychotherapeuten in Privatpraxis, dass eine Behandlung kurzfristig übernommen wird.
Wie man sehen kann, ist auch das eine Prozedur, die aufwändig und mit Zeit verbunden ist. Doch es lohnt sich auf alle Fälle.
Auch ist uns und vielen klar, dass es gerade Menschen mit einer psychischen Erkrankung bzw. Störung, oft schwerfällt, die dafür benötigten Telefonate zu führen oder die notwendigen Unterlagen zu besorgen.
Hier sollten vielleicht Angehörige oder Freunde, die/den Betroffene/n unterstützen.
Ansonsten bleibt nur zu hoffen, dass sich hier (seitens der Gesetzgeber) mal endlich was ändert. Denn es ist einfach unzumutbar, Menschen mit psychischen Problemen, auch noch solche Hürden in den Weg zu stellen.
Alles Gute und bis zum nächsten Artikel
(Quelle: „Kostenerstattung“ ein Ratgeber für psychisch Kranke Menschen der Bundespsychotherapeutenkammer)
Luise meint
Den Artikel und vor allem das Musterschreiben zum Vermeiden langer Wartezeiten sind wirklich sehr hilfreich. Ich leide seit einigen Wochen verstärkt unter starken Panikattacken (vor allem nachts und unterwegs) und kann nicht die vorgeschlagenen drei Monate auf einen Termin warten. Ich werde gleich den Brief an die Krankenkasse fertigstellen und hoffentlich bald eine positive Antwort erhalten.
Neeltje Forkenbrock meint
Ich habe ebenfalls gemerkt, dass es teils sehr lange Wartezeiten gibt. Zudem wird die Situation erschwert, wenn man, wie ich an Panik vor dem Telefonieren leidet. Allein bis ich den Mut gefunden habe zum Hörer zu greifen sind Monate vergangen, in denen ich schon mit der Psychotherapie hätte anfangen können.